Weigere dich nicht,
dem Bedürftigen Gutes zu tun,
wenn deine Hand es vermag
Sprüche 3, 27
Ist Ihnen schon mal eine Hand entgegengestreckt worden?
Nein, gemeint ist nicht, etwa zur Begrüßung nach Corona!
Oder haben Sie schon mal jemandem ihre Hand gereicht, um ihm oder ihr Gutes zu tun?
Dann sind Sie nahe beim Monatsspruch aus dem Alten Testament und dem genannten Vers.
Dieser stammt aus dem alten biblischen Buch >DER SPRÜCHE<. Dort sind Weisheiten aus vermutlich etwa vier Jahrhunderten zusammengetragen. Diese werfen immer Schlaglichter in die Gegenwart der Menschen vor weit mehr als 2500 Jahren. Vermutlich müssten diese Leute, wenn man sie in unsere Gegenwart holen könnte, erstmal in einer - wahrscheinlich nicht kurzen psychologischen Behandlung - aufarbeiten, was sie alles in unserer Welt Neues gesehen und erlebt haben. Aber ganz sicher verstünden sie sofort und ohne jede Erklärung, was Hilfeverweigerung- oder Hilfeunterlassung bedeuten. Gewiss hätten sie selbst dazu auch eine Geschichte aus ihrem damaligen Lebenskreis parat.
Der alte Sprüchedichter der Bibel kannte seine Zeitgenossen genau. Sind wir als Menschen heute von Natur aus anders oder sogar besser? Sicher haben wir bestimmt etwas feinere Verpackungen und Bezeichnungen und auch noch viel mehr Themen, die zum Kapitel „Unterlassene Hilfeleistungen“ passen, das es ins Strafgesetzbuch (323c StGB) geschafft hat. Aber es ging dem Autor der Sprüche sicher nicht um die großen Themen, sondern um die Not und Hilfsbedürftigkeit eines Menschen in seinem ganz normalen Alltagsleben. Die Bibel im Alten (3.Mose 19,18) und noch erweitert im Neuen Testament nennt dazu an vielen Stellen den Begriff des Nächsten und der Nächstenliebe. Jesus von Nazareth, der der Christus Gottes wurde, hatte eine Geschichte dazu, die Kindern in der Grundschule noch heute gelegentlich erzählt wird. Sie war aber keineswegs als Beispielgeschichte (nur) für Kinder gedacht. Sie wird oft noch nur noch mit einem Stichwort genannt und keineswegs nur in christlichen Kreisen. Eine konfessionell ungebundene Hilfsorganisation in Deutschland benennt sich beispielsweise sogar nach ihr: Arbeiter-Samariter-Bund.
In der Geschichte die Jesus erzählt (Lukas 10,30-37) kommen die "Frommen" seiner Zeit denkbar schlecht weg. Gerade jene, die ein gottgefälliges Leben führen wollten und dies auch für die Öffentlichkeit wohl gerne zelebrierten. Hier waren es Priester und Leviten (Tempeldiener), die jämmerlich versagten als es darum ging, einem Überfallenen, der sich ziemliche Verletzungen zugezogen hatte, erste Hilfe zu leisten. Aber mehr als nur eine Hand reichte dem unter die Räuber Gefallenen gerade ein Samariter. Das waren Leute für die das fromme Establishment nur Verachtung übrig hatte, da sie nicht so glaubten, wie Religionsführer dies für richtig hielten. Ihren Namen haben die Samariter von der alten Stadt Samaria. Ihre Verachtungsgeschichte reicht über rund 2800 Jahre bis in die Gegenwart. Folgt man Wikipedia leben heute sogar noch ein paar Hundert von Ihnen in Israel. Der Samariter aus der alten Geschichte sorgte für eine längere Genesungsfürsorge und bezahlte auf eigene Rechnung sogar ein Hotel in jener Zeit ohne jede soziale Fürsorge und Einrichtungen. Er konnte es sich offensichtlich auch leisten, mit dem Monatsspruch gesagt, seine Hand vermochte es. Aber noch eine besondere Schärfe bringt Jesus in seine Erzählung hinein, indem dieser Mann seine Hilfeleistung nicht davon abhängig machte, wie sympathisch ihm der Hilfsbedürftige war. Genau der Samariter hätte seine Hand von ihm zurückziehen müssen, denn gerade der Verletzte war eher ein israelitischer "Feind im Geiste" und keineswegs sein Nächster.
Genau hier wird mir ein wenig unwohl, denn der biblische Auftrag ist auch für mich mit dem Monatsspruch klar benannt. Und Jesus verbietet dann noch jegliche Entschuldigungen für unterlassene Hilfeleistungen (s.a. Sprüche 3, 28). Davon haben wir sicherlich reichlich und sind überdies Meister der Argumente, die uns von Hilfeanstrengungen für Bedürftige befreien, besonders wenn sie nicht in unser Denkschema passen.
Sollte nicht der heutige Tag und alle weiteren zum Prüfstein für meine Handreichung werden?! Besonders wohl dann, wenn ich über die Hilfsmittel verfüge und helfen könnte?
Jesus sagt am Ende seiner Erzählung über den barmherzigen Samriter nur kurz und knapp:
"Dann geh und handle du genauso" - und zwar nicht nur im
Mai Anno Domini 2023
© D.E.