Monatsgedanken Mai 2019

Notre Dame end1905

Der 15. April 2019 hat dieses Bauwerk noch bekannter gemacht als es schon immer war und es wird lange dauern bis man wieder ein ähnliches Foto von ihm machen kann: Notre Dame de Paris. Über 80 Jahre ist ab 1163 n. Chr. daran gebaut worden und eine Nacht der Feuersbrunst 2019 hat genügt, um diese Kirche fast zu vernichten. Vergleichbares hat Notre Dame 900 Jahre nicht erlebt. Weltweit wurde Entsetzen über diesen Schicksalsschlag bekundet. Ganz Frankreich weint, so schrieb etwa ein deutsches Nachrichtenmagazin (Spiegel). Aber warum eigentlich? WIN-Gallup International – ein weltweiter Verbund der Meinungsforschungsinstitute - stellte schon 2012 fest, dass sich rund 30% der französischen Bevölkerung als überzeugte Atheisten verstehen (Deutschland 15%). Etwa 35% geben an, dass sie nicht religiös seien. Worin ist also die Trauer begründet?

 

Die Betroffenheit über den Kathedralenbrand hat nachvollziehbar überwiegend nichts mit dem christlichen Glauben zu tun. Kunstfreunde und politisch Interessierte, aber auch zu großen Teilen der französische Normalatheist sieht Notre Dame anders. Zu welcher Gruppe der französische Präsident zählt, bleibt bisher unbekannt, obschon er sich als Kind säkularer Eltern mit 12 Jahren katholisch taufen ließ. Und im Hintergrund ist sein französisches Präsidentenamt trotz Trennung von Kirche und Staat (ab 1905) in besonderer Weise und vielfältig mit der Kirche verknüpft. Immer schon waren Kirchen auch politisch verortet, so etwa die Basiliken als Königshallen. Notwendige Finanzen und Fachplanungen waren auch nicht anders denkbar. So ist Notre Dame auch ein politisches Symbol und eine Manifestation von Macht und Nation. Macron erklärt denn auch umgehend die Franzosen zu einem einigen Volk von Baumeistern. Doch gerade diese politische Verzweckung findet auch ihre Kritiker. So spart der Pariser Erzbischof Michel Aupetit nicht mit Tadel für Macron, der wohl innere Tränen über das Kunstwerk Notre Dame vergieße, aber nicht erwähne, dass die Kathedrale „im Namen Jesu Christi“ erbaut wurde und in ihrem Zentrum die christliche Gemeinde stehe. In der Tat ist die kunstvolle Gestaltung einer Kirche die Umsetzung des Glaubensgefühls und Weltverständnisses in einer bestimmten zeitgeschichtlichen Epoche. Die im Stile der Gotik erschaffene Kathedrale Notre Dame ist somit steingewordene Theologie ihrer Zeit. Diese ist dort so präsent, dass sie buchstäblich auch nach der Seele eines besuchenden Atheisten greift. Das wird jeder Besucher einer Kathedrale (Dom) als Gefühl mitnehmen. Hier ist irgendwie mehr als Schönheit und Gestaltung buchstäblich spürbar in jenem besonderen Geist des Hauses, den man nicht selten aber auch in einer alten, schön gestalteten Dorfkirche antreffen kann. Christen und andere Menschen sagen oft dazu Gotteshaus, manchmal ohne sich der Hintergründe der Bezeichnung bewusst zu sein.
Doch gehört es zum Kern des christlich-jüdischen Gottesverständnisses, dass Gott nicht an einen Ort gebunden ist, sondern Omnipräsenz besitzt also überall sein kann und ist. Gott ist auch in bisweilen recht unattraktiven Versammlungsorten einer christlichen Gemeinde gegenwärtig, ebenso wie im Wald oder eigenen Haus. Und doch braucht die menschliche Seele auch schöne Ankerpunkte für die Anbetung. Die katholische Kirche hat dieses Wissen und die Praxis den Protestanten oft voraus: Das Dasein Gottes ist im sakral gestalteten Raum noch einmal anders er- leb und erfahrbar. Da ist dann die Seele mit Gott allein zu Haus.
Dieser Gedanke führt in die etwa 3000 Jahre zurückliegende Zeit des Monatsspruchs vom Mai 2019. Im so bezeichneten biblischen Buch Salomo wird von einem Staatsmann berichtet, dem durch seinen Berater (Nathan) die Information erhält, dass sein Gott ein irdisches Haus erhalten soll. Dieser Macron seiner Zeit hieß David und sollte zu einem der bedeutendsten Könige Israels werden. Von ihm wird im 2. Buch Samuel der Bibel berichtet, dass er einst auf seinen immensen Königspalast blickt und sich fragt, wo eigentlich Gott seinen angemessenen Platz hat? David ist überzeugt: „Es ist keiner so wie du!“ Er ist der große und einzige Gott und der braucht doch eine repräsentative, einzigartige Wohnstätte. Vielleicht schmunzelt der Mensch von heute darüber, aber doch nur solange wie er sich eingesteht, dass Menschen Gottes Wohnung immer noch irgendwie suchen. Der erste Mensch im Himmel – pardon – im Weltall -, Juri Gagarin,  sagte nach seiner Rückkehr 1961, er habe Gott da oben nicht gefunden. Also ist Gott unbekannt verzogen oder gibt es ihn erst gar nicht? So ist mit der Frage nach dem Wohnort Gottes immer auch die Frage nach seiner Existenz gestellt. Dabei scheint der moderne Mensch eher bereit, die Möglichkeit der Entdeckung von Verwandten der Marsmenschen für wahrscheinlich zu halten als seine Suche nach Gott fortzusetzen. Für König David ist die Suche überflüssig. Er und sein Volk haben genug mit diesem einzigen Gott erlebt. Und über den Propheten Nathan lässt Gott ihm sogar ausrichten, dass ER eigentlich keinen Tempel oder eine Kathedrale benötigt (2. Sam.7,7). Und der Sohn Davids, Salomo,  als späterer Baumeister des Tempels bleibt mit der Wohnung Gottes auf Erden unzufrieden: „Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?“, so beurteilte er das Gotteshaus.(1. Könige 8,27)

Aber Gott erkennt an, dass Menschen solche Symbole und Stätten brauchen, denn Glaube hat auch eine emotionale Seite. Aber es ist die eindeutige biblische Botschaft des Alten und des Neuen Testaments, dass Gott dem Menschen überall begegnen kann und überall präsent ist. Das ist schwerer zu verstehen als die Quantenphysik und doch ganz einfach. Die Begegnung mit Gott fängt mit dem Gebet an, vielleicht mit der Frage: Wo bist DU? Die Antwort kann in der eigenen Wohnung, in einer Kathedrale oder im wenig attraktiven Raum einer christlichen Gemeinschaft hörbar und fühlbar werden, - bestimmt auch im

Mai Anno Domini 2019!