Ich sage euch:
Wenn diese schweigen werden,
so werden die Steine schreien.
Lukas 19,40
Foto: Gidon Pico
Nein, das ist kein Bild vom Mars, sondern der Rand der judäischen Wüste. Schreiende Steine sind für eingefleischte Evolutionisten vielleicht nicht unnormal. Denn folgt man der Evolutionslehre, ist es ja nur eine Frage der Zeit bis aus toter Materie (z.B. Steine) lebendige Wesen werden, die vielleicht dann auch irgendwann mal schreien. Mit dieser Bemerkung habe ich jedoch sicher bei den Anhängern dieser Theorie keinen Stein im Brett, sondern bin eher ein Stein des Anstoßes und vielleicht sogar der intellektuellen Steinigung nahe. Aber räumen wir vorher mal die Steine weg vom Weg des Verstehens dieser merkwürdigen Bibelstelle.
Wir kennen eine Menge Sprichworte und Redewendungen, in denen Steine eine Rolle spielen, manche der bereits angedeuteten sind sogar biblischen Ursprungs. Solche Vergleiche in Schriften und Reden dienen natürlich dazu, schwierige Dinge besser zu erläutern, verständlicher zu machen oder Bedeutsames zu unterstreichen. Jesus vom Nazareth war ein Meister solcher Stilmittel. Seinem o.g. Ausruf geht voraus, dass er sich wenige Wochen vor dem gewaltsamen Ende seines irdischen Lebens aus der Provinz Galiläa auf den Weg nach Jerusalem machte, durch ein Land in dem Staub und Steine bis heute zum Charakter der Landschaft gehören, so wie in der Wüste Judäas oder auch vor den Toren Jerusalems (Blick auf Jerusalem; Bild: Irina Uvz).
Östlich davon in der Nähe des Ölbergs begegnete Jesus auf seinem Weg einer Gruppe von Pharisäern, einer auch heute noch strenggläubigen jüdischen Glaubensgemeinschaft. Sie trafen nicht zufällig auf diesen Wanderprediger, der im Gegensatz zu vielen anderen zu der Zeit im Land einen ungeheuren, ja aus pharisäischer Sicht ungeheuerlichen Anspruch erhob. Er stritt kurz vor seinem Tod nicht ab, was jeder in Israel, der ihm begegnet war oder von ihm gehört hatte, schon einmal vernahm: Ich bin der Messias (hebr.), der Christus (griech.) Gottes (Lk. 22,70). Auf diesen Messias warteten allerdings auch die Pharisäer, aber dieser Jesus v. Nazareth passte so gar nicht in ihre Vorstellungen. Zwar mussten sie anerkennen, dass er etwa Heilungen vollbracht hatte und vollmundig predigte, obschon er nicht „studiert“ hatte und in gebildeten Kreisen aufgewachsen war. So erwarb er sich im Volk einige Anerkennung und selbst die Pharisäer nennen ihn gelegentlich >Rabbi< (Meister). Aber nun auch das noch! Mit dem Anspruch der Gesalbte Gottes zu sein, steht er jetzt vor den Toren Jerusalems, der Stadt Davids, der Stadt des Tempels Gottes. Zudem kommt er nicht allein und bringt eine nicht kleine Anzahl Follower (Nachfolger) mit, wie wir heute vielleicht sagen würden. Noch schlimmer: „Und als er schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten, und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!“ So berichtet jedenfalls der Evangelist Lukas (Lk.19,37u.38). Dieses Aufsehen konnte man nicht zulassen! So bitten sie Jesus inständig, seinen Anhängern diesen messianischen Jubel zu untersagen. Jesus entgegnet ihnen selbstbewusst, dass sich seine Mission nicht aufhalten lässt und selbst die Steine seine Geschichte verbreiten würden, wenn Menschen es nicht tun. Er sollte über inzwischen zwei Jahrtausende Recht behalten. Weder gelang es den Pharisäern damals seine Reise nach Jerusalem zu verhindern, noch in den Wochen danach seine frohe Botschaft (= Evangelium) von Gnade und Erlösung zu stoppen. So schreien bis heute Steine die gute Nachricht des Jesus von Nazareth heraus, der der Christus wurde. Dieses Zeugnis legen auch alle Steine ab, aus denen Wegkreuze und Kirchen gefertigt wurden. Nicht nur die mittelalterlichen Architekten und Dombaumeister wollten mehr als zweckdienliche Anbetungsgebäude erstellen. Es ging immer um die in Stein gesetzte Botschaft und Verkündigung des Glaubens. Dass seit mehr als 20 Jahren die Steine Hunderter entwidmeter und profanierter Kirchen schweigen, sollte uns nachdenklich machen, nicht nur im
März Anno Domini 2021
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