Jesus Christus spricht:
Wachet!
Markus 13,37
Zunehmend kommen wieder solche sog. Retro-Wecker in Mode. Ihr Sound ist vorsichtig gesagt „aufdringlich“, und man ist nach dem Weckgeräusch garantiert wach. Wer es noch lauter und noch mehr „retroisch“ mag, kann so eine Maschine auch auf einen Teller stellen und auf diesen einige Kupfermünzen legen. Mit diesem Retro-Verstärker rappelt es noch gewaltiger. Aufrappeln muss man sich dann freilich immer noch selbst.
Die mehr oder weniger genaue Messung der Zeit mit so einem Wecker wurde jedoch erst Mitte des 19.Jahrhunderts möglich. Bis dahin war „Verpennen“ wohl an der Tagesordnung oder man musste sich – etwa im Altertum – komplizierter Weck-Maschinen bedienen, wie sie Platon und Aristoteles z.B. mit einer Wasseruhr erfanden. Dem „normalen“ Menschen waren solche Erfindungen nicht zugänglich, und die seit Jahrtausenden bekannte Sonnenuhr hat des Nachts auch so ihre Probleme.
Der o.g. Monatsspruch aus dem Markus-Evangelium entstammt einem Kapitel, in dem es auch um Zeitmessungen geht, nämlich um die Endzeit dieses Planeten, die am oft so genannten „jüngsten Tag“ ihre Vollendung finden soll. Dieser Tag – oft auch „Tag des Herrn“ genannt – ist mit der Vorstellung verbunden, dass Gott Gericht halten wird über alle Verderbnis dieser Erde, deren Untergang darin beschlossen ist. Die damit verbundenen Vorstellungen füllen Bibliotheken und lieferten reichlich Stoff für Katastrophenfilme, für viele Maler, Künstler und Prediger in ihren Zeiten. Nicht nur in der christlichen Religion wurde das Thema wichtig, sondern auch etwa im Judentum oder Islam finden sich zahlreiche Aussagen zum Ende der irdischen Zeiten. Trotz unterschiedlichster Deutungen und Spekulationen ist man sich in der Grundaussage einig: Dieser letzte Tag kommt. Die damit wohl immer schon so empfundene, spannendste Frage war natürlich: Wann wird dieses Ereignis stattfinden?
Der Evangelist Markus gibt dazu die Aussage des Jesus von Nazareth im 13.Kapitel seines Buches wieder. Jesus beendet einerseits das Spekulieren mit jenem „Tag des Herrn“, obwohl er andererseits andeutet, dass die Zeit fortgeschritten ist und manche Ereignisse, die auf die ablaufende Weltenuhr hindeuten, schon geschehen sind oder in Kürze geschehen. Erstaunlicherweise bekennt er jedoch, dass nicht einmal er, von Gott in den Zeitpunkt des irgendwann bevorstehenden Ereignisses eingeweiht ist: „Von jenem Tag aber oder der Stunde weiß niemand, auch nicht die Engel im Himmel, auch nicht der Sohn, sondern nur der Vater.“ (Mk. 13,32) Auf der anderen Seite wusste Jesus offensichtlich bereits, welche Dinge sich ereignen werden. So wie Jeremia mehr als 600 Jahre zuvor für den ersten Tempel dessen Untergang (586 v. Chr.) voraussagte, verkündete Jesus von Nazareth prophetisch die Zerstörung des zweiten jüdischen Tempels (70 n.Chr.) (Mk. 13,2). Ein weiterer Prophet mit Namen Jesus ben Ananias wiederholte diese Ankündigung in Israel rund 35 Jahre nach dem Tod von Jesus Christus und rund 8 Jahre vor der tatsächlichen Zerstörung des Tempels durch die Römer. Aber alle Voraussagen nennen nie genau Zeit und Stunde. Nicht selten erlebten die Propheten die Erfüllung ihrer eigenen Weissagungen nicht, was sie oft unter Zeitgenossen unglaubwürdig dastehen ließ.
Gegen einen präzisen Zeitpunkt im Rahmen der Vorhersage für das Eintreffen eines göttlich bestimmten Ereignisses, auf den hin man geradezu einen Wecker stellen könnte, spricht auch, dass sich gottgewollte oder –verfügte irdische Entwicklungen durchaus beschleunigen oder verzögern können (s. Luk. 13, 6-9). Zeitpunktgenaue Spekulation verbietet sich, auch und gerade für den „Tag des Herrn“, der christlich verstanden mit der Wiederkunft des Christus verbunden ist. Ein ebenso falsches Verständnis führt zum Sankt-Nimmerleins-Tag und demzufolge zu einem gedankenlosen Dahinleben, mit einem arabisch/orientalisch gesprochenen >inschalah< = wie Gott will: kümmern wir uns besser nicht weiter darum. Dem setzt Jesus ein unübersehbares Ausrufezeichen entgegen: Wachet! Ihr wisst nicht den Tag noch die Stunde, aber lebt in der Verantwortung vor Gott jeden Tag so, als wäre er der letzte!
So wird von Christen nicht mehr und nicht weniger verlangt als ein ständiger „Bereitschaftsdienst“, versehen mit den Arbeitsanweisungen aus der Bergpredigt (Mt, 5-7). Das schreibt sich leicht und doch lebt sich das schwer in unseren ermüdenden Alltagen mit ihren Routinen und Belastungen.
Und noch ein Gedanke sollte uns wachsam sein lassen. Jeder von uns wird seinen persönlichen „Tag des Herrn“ erleben – ganz unabhängig vom Weltgeschehen. Es ist der Zeitpunkt unseres Todes, der uns in jeder Lebenssekunde umgibt und Wirklichkeit werden kann. Das ist kein Grund zur Angst, sondern ein Anlass zur Wachsamkeit in einem bewussten Leben. Vielleicht sollten wir daran öfter denken, wenn der Wecker klingelt und wir wieder erwachen dürfen an den Tagen im
März Anno Domini 2020
© D.E.